Russland Baikalsee und Insel Olchon

Bevor wir nach Russland weiterreisen, verweilen wir ein paar Tage in der mongolischen Hauptstadt Ulan Bator im Guesthouse Oasis. Hier finden wir eine angenehme Atmosphäre vor, um sich mit anderen Reisenden zu treffen und auszutauschen. Am selben Tag wie wir, treffen Hubert und Rainer mit ihren Motorrädern ein. Sie sind in knapp sechs Wochen von der Schweiz (Alchenflüh und Biel) bis in die Mongolei gefahren. Mit vereinten Kräften werden bei den Motorrädern die Pneus gewechselt. Hubert und Rainer haben ihre Motorräder anschliessend in Ulan Bator auf die Transsibirische Eisenbahn bis nach Moskau verladen und wollten von dort zurück in die Schweiz fahren. Wir hoffen, dass sie gut in der Schweiz angekommen sind. Ebenso wichtig, wenn nicht noch wichtiger als das gemeinsame „werkeln und mechen“ an den Reisefahrzeugen, ist das gemütliche Zusammensitzen und Austauschen der Reiseerlebnisse. Bianca und Sören aus Deutschland haben wir während unserem Aufenthalt in der Mongolei mehrere Male angetroffen….die Mongolei ist ja soooo klein! Die beiden sind nun in China unterwegs.

Warteschlange auf mongolisch …
Hier noch eine letzte mongolische Erfahrung. Wer sich in der Mongolei nicht mit Ellenbogen durchkämpft, wird immer übergangen! Am Bahnübergang auf dem drängeln sich alle Autos auf beiden Fahrspuren bis zur Schranke vor. Wer sich brav hinten anreiht (wie wir zu Beginn unseres Aufenthalts in der Mongolei) wird gnadenlos rechts und links überholt und kann bestimmt als letzter fahren. Auf der gegenüberliegenden Seite des Bahnübergangs passiert natürlich dasselbe und ihr könnt euch selber vorstellen was geschieht, wenn die Schranken hoch gehen und auf beiden Seiten beide Fahrspuren mit Autos vollgestopft sind…heilloses Chaos!

Anfang September erleben wir in der Ulan Bator den ersten Kälteeinbruch. Auf den Hügeln rings um die Hauptstadt liegt Schnee. Wir packen also unsere sieben Sachen zusammen und machen uns auf den Weg nach Russland, in die Baikalregion. Wir haben uns vorgestellt, dass wir am grössten Süsswassersee der Welt, eine sonnige Herbstzeit geniessen werden; und dies haben wir auch. Herrlich klare sonnige Tage rund um den Baikalsee, farbige Wälder und traumhaftschöne Strandplätzchen, ein Tag schöner als der andere! Nur zwei Nachteile gibt’s: Der Herbst hier ist sehr kurz und die Temperaturen sind tags nur noch zwischen 10 – 15 Grad, nachts haben wir zum Teil bereits Frost.
Wir ersparen uns und euch weitere Worte zu dieser Gegend und lassen die Fotos sprechen.

Übernachtungsplatz am Baikalsee in der Nähe des Dorfes Buguldeika
Für uns ist es immer interessant zu sehen, wer sich so alles am See trifft und wer was tut …
Als erster fährt ein Burjate mit seinem Seitenwagen vor. Die Burjaten sind die Ureinwohner in der Baikalregion und fallen durch ihre asiatisch geprägten Gesichter auf (verwandt mit den Mongolen). Der Mann zieht seine Fischerstiefel an, holt Kessel für Kessel Wasser aus dem Baikalsee und füllt sein Wasserfass im Seitenwagen. Sein Nachbar fährt fast zur selben Zeit mit dem Auto an den See und füllt ebenfalls seine Wasserkanister auf. Die beiden setzen sich gemütlich hin, plaudern, rauchen eine Zigarette und bringen danach das Wasser nach Hause. In vielen Dörfern rund um den Baikalsee gibt es kein fliessendes Wasser. Die Wasserqualität des Baikalsees soll sehr gut sein und die Leute hier leben davon.
In der Abenddämmerung kommen zwei Jungs an den See zum Fischen. Sie ziehen eine Art Holzschiffchen an einer Fischerschnur durchs Wasser. An der Fischerschnur sind alle 1,5m  50cm lange Schnüre mit Ködern dran befestigt. Geschickt manövrieren die Jungs das Holzschiffchen in der Strömung durchs Wasser und laufen so der Küste entlang, immer die Fischerschnur mit den Ködern durchs Wasser ziehend. Die Ausbeute an diesem Abend ist gering. In der umgehängten Plastiktüte zeigt mir der Junge gerademal zwei kleine, etwa 15cm lange Fischchen. Mit vereinten Kräften schieben die Jungs ihr altes Motorrad an und machen sich auf den Heimweg.

Insel Olchon, Schamanenfelsen, Pferdepfähle und Bäume mit farbigen Bändern
Olchon hatte für die Menschen am Baikal immer schon eine besondere Bedeutung. Der Schamanenfelsen wird häufig als Symbol des Baikalsees mit einer besonderen Ausstrahlung bezeichnet. Bereits vor Jahrhunderten wurde er als Heiligtum und Sitz der Götter verehrt und gefürchtet. In einer Höhle im Innern des Felsens wurden Spuren steinzeitlicher Besiedlung, eine Grabstätte sowie Reste älterer und jüngerer Opferrituale und Beschwörungszeremonien gefunden. Zu Beginn des 20. Jh. wurde der Felsen von Buddhisten als Stätte ritueller Zeremonien genutzt. Sie entfernten allerdings fast alle schamanistischen Gegenstände und Spuren aus der Höhle. Viele Einheimische bedauern, dass dem Felsen heute nicht mehr die Ehrfurcht entgegengebracht wird, die die Vorfahren der modernen Burjaten dazu bewog, beim Ritt in der Nähe des Felsens die Hufe ihrer Pferde zu umwickeln, damit sie die Götter nicht erzürnten. Im Wäldchen nördlich des Schamanenfelsens hat man früher Schamanen beigesetzt. Es wurde von Normalsterblichen nicht betreten und die hier nistenden Adler galten als Verkörperung der Schamanenseelen.
Heute haben sich im Bewusstsein der Inselbewohner vielleicht etwas mehr als anderswo schamanistische Elemente erhalten. Die alten Traditionen des Volksglaubens sind jedoch grösstenteils in Vergessenheit geraten. Dennoch hat man den Eindruck, dass die Bestrebungen zur Rückbesinnung auf das Verlorene hier besonders stark sind, hier und da sichtbar durch neu aufgestellte Serge (rituelle Pferdepfähle). Ob es der Schamanenfelsen ist, der durch seine nicht zu ignorierende Präsenz die Suche nach den Wurzeln verstärkt, oder ob die Insel tatsächlich ein besonders starkes Energiefeld hat? Tatsache ist, dass sie nicht nur Anhänger des Schamanismus aus Russland anzieht und dass viele ihrer Bewohner von Erlebnissen berichten, die nicht gut in das rationale Weltbild eines Westeuropäers passen.
Wir können jedoch von keinen aussergewöhnlichen Erlebnissen hier berichten; ausser dass Daniel und ich nachts kaum schlafen konnten. Sind wir vielleicht den Seelen der verstorbenen Schamanen im Wäldchen zu nahe gekommen? Oder gibt es hier einfach stärkere Energieen als anderswo?

Nach dem Schneefall auf der Olchon will und will das Wetter nicht mehr wärmer werden. Die Sonne scheint zwar noch hie und da, doch der eiskalte Wind bläst hartnäckig jeden Tag. Deshalb beschliessen wir, die Insel zu verlassen und die Heimfahrt unter die Räder zu nehmen.