Rumänien vom 1. - 22. November 06

Route in Rumänien:
Siret – Moldovita – Campulung Moldovenesc – Suceava – Botosani – Pascani – Targu –Neamt – Lacul Izvorul Muntelui – Bicaz – Gheorgheni – Sovata – Tarnaveni – Medias – Sibiu – Pasul Turnu Rosu – Brezoi – Lacul Vidra – Pasul Tartarau – Sebes – Alba Julia – Zlatna – Campeni – Pestera Scarisoara – Lunca – Brad – Deva – Petrosani – Targu Jiu – Filiasi – Strehaia – Galicea Mare – Craiova – Slatina - Pitesti – Targoviste – Ploiesti - - Urziceni – Slobozia – Harsova – Macin – Tulcea – Constanta – Ion Corvin – Mangalia

Rumänien Steckbrief:
EU-Mitglied voraussichtlich 2007
Hauptstadt Bukarest (2 Mio. Einw.)
Einwohner 21.7 Mio.
Fläche 238'391 km 2
Währung Leu in der Mehrzahl Lei (1 Euro = 0.28 Lei)

Rumänien ist ein Vielvölkerstaat. 85.5 % der 21.7 Mio. Einwohner bezeichnen sich als Rumänen. Grösste offizielle Minderheit sind mit 1.4 Mio. die Ungarn. Man rechnet jedoch mit 2-3 Mio. Roma, von denen sich nur 535'000 als solche bezeichnen. Dazu kommen 64’000 Ukrainer, 30'000 Türken und 22'000 Serben; und 0.3 % Deutsche (Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben).
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Rumänien sowjetisiert. Jahrzehntelang wurde das Land vom kommunistischen Diktator Nicolae Ceausescu regiert. Nach dessen Hinrichtung 1989 folgte die 15-jährige Dominanz des Ex-Kommunisten Ion Iliescu, welche mit der Parlamentswahl 2004 zu Ende ging. Nun ist Rumänien auf dem Weg zum EU-Beitritt im Jahr 2007.

Schicksal der Heimkinder
Im Hinblick auf die angestrebte EU-Mitgliedschaft hat Rumänien noch einige Hürden zu überwinden. Direkte Verhandlungen wurden an mehrere Bedingungen geknüpft, allen voran die Forderung nach einer besseren Absicherung der vielen Heimkinder, die bis heute ein dunkles Erbe der unmenschlichen Familienpolitik der kommunistischen Diktatur und der gescheiterten Sozialpolitik in der Nach-Wende-Zeit darstellen. Zwar waren die Frauen ins Berufsleben eingegliedert worden, Nicolae Ceausescu (ex-kommunistischer Diktator) hatte sie aber ab 1966 durch Verbot von Verhütungsmitteln und Abtreibungen total entmündigt. Auch staatlich angeordnete gynäkologische Untersuchungen sollten die Geburtenzahlen erhöhen helfen.
Vor 1990 ging kaum eine Rumänin ohne illegale, gesundheitsschädigende Abtreibungen durchs Leben. Unzählige Heimkinder suchten Halt und wurden einfach nur weggesperrt oder landeten auf der Strasse. Erst nach der Wende fand das Schicksal dieser Kinder und Jugendlichen endlich Beachtung. Mit Hilfe internationaler Organisationen wurden vielerorts die Lebensbedingungen in Heimen und Wohngruppen verbessert. Nun kommt eine Generation Kinder ins Erwachsenenleben, welche es mit ihrer Heimvergangenheit alles andere als einfach haben wird.
Dies sind Probleme, die neben Rumänien bis heute auch die ex-kommunistischen Nachbarstaaten (z.B. Moldavien, Ukraine) in Atem halten.

Roma
Ein weiterer Kritikpunkt der EU ist die Volksgruppe der Roma (Zigeuner) in Rumänien.
Der rumänische Staat unterstützt die Integration der Roma, doch längst nicht alle wollen sesshaft werden. Sie leben nach ihren eigenen Vorstellungen und Gesetzen. Einige haben sich in der Zwischenzeit irgendwo niedergelassen und führen ein ‚bürgerliches’ Leben, andere leben ihre Kultur weiter. Ihr schlechter Ruf eilt ihnen weit voraus. Wir haben bis dahin jedoch keine schlechten Erfahrungen mit den Roma gemacht, vielleicht weil wir selber Zigeuner sind?!

Währung
Durch die Währungsreform im Juli 2005 wurde Inflationsballast abgeworfen. Der Lei verlor vier Nullen. Kompliziert wird es dadurch, dass die Waren nach wie vor mit den 4 Nullen angeschrieben werden. Zu unserem Erstaunen existieren neue und alte Banknoten. Auch die Rumänen selber haben da so ihre Mühe. Wenn ein Brot 1 Lei kostet und mit 10'000 Lei angeschrieben ist, ist es also dasselbe.
Beim Bargeldbezug bei einem Bankautomaten ist uns folgendes passiert. Wir wollten 1'000 Lei beziehen. Der Automat spuckte 9 x eine 50 Lei Note und eine 5 Lei Note aus. Wir dachten, dass dies so nicht stimmen kann und gingen unverzüglich an den Bankschalter. Bei den Verantwortlichen gab es darüber heftige Diskussionen. Die Geldkassetten des Bankomaten wurden herausgenommen und die Noten überprüft. Danach wurde uns mitgeteilt, dass diese 5 Lei Note irrtümlicherweise in der falschen Geldkassette eingereiht worden war und wir erhalten sie gegen eine 50 Lei Note ausgetauscht.

Karpaten und Siebenbürgen
Die Karpaten sind unterschiedlich hohe Gebirgszüge in Rumänien. Auf unserer Reise gelangen wir nach dem Besuch der Moldauklöster direkt in die Ostkarpaten. Ufff….da weht eine frische Brise! Auf 1'000 m ü. M. haben wir gleich Minustemperaturen und leichten Schneefall.
Die Karpaten sind als Wandergebiet bekannt. Doch für uns „Schweizer-Bergler“ sind sie nicht sooo spektakulär. Die Wanderwege führen endlos durch die bewaldeten Hügel und von der schönen Landschaft sieht man vor lauter Bäume nichts. Doch wir haben eigentlich noch Glück. Denn um diese Jahreszeit sind die Blätter der Buchenwälder heruntergefallen, so können wir wenigstens ab und zu die schöne Aussicht geniessen. Überqueren zwei Pässe in den Ostkarpaten um in die Region Siebenbürgen zu gelangen. Genau an diesem Tag schneit es ununterbrochen. Die Strassen sind schneebedeckt und die einheimischen Autofahrer sind, zu unserem Erstaunen, überhaupt nicht für den Winter gerüstet. Die meisten fahren mit schlechten Sommerreifen und geraten an diesen Pässen schnell ins Schleudern. Sattelschlepper stecken auf halber Strecke am Pass fest und blockieren den Weg, andere schaffen es gerade noch so auf die Passhöhe. Unser Toyota meistert die Steigungen trotz der schwierigen Verhältnisse ganz gut.

In Siebenbürgen (auch Transsilvanien genannt) befinden wir uns sozusagen im Zentrum von Rumänien. Geschichtlich gesehen eine sehr interessante Gegend. Hier siedelten sich bereits vor 800 Jahren deutsche Sachsen an. Damals wurden sie wegen ihres Fleisses und ihrer Geschäftstüchtigkeit von Rumänen und Ungarn schnell geschätzt. Es lebten ca. 800'000 Rumäniendeutsche hier. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden jedoch 70'000 von ihnen verschleppt und zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion gebracht. Die Zurückgebliebenen litten an Enteignung und Zwangsumsiedlung. Ab 1950 bis heute sind 400'000 Rumäniendeutsche nach Deutschland ausgewandert. Dort erhielten sie umgehend die deutsche Staatsbürgerschaft und sofortige Arbeitserlaubnis. Die Ceausescu-Diktatur beschleunigte zusätzlich die Auswanderungen der Rumäniendeutschen. Heute leben nur noch etwa 60’000 Rumäniendeutsche in Siebenbürgen.
Im siebenbürgischen Dorf Wurmloch machen wir Halt um eine Kirchenburg zu besichtigen. Die alte sächsische Frau, welche uns Einlass in die Kirchenburg gewährt, berichtet uns aus ihrem Leben: In Wurmloch waren von den 1'700 Einwohnern einst über 900 Sachsen. Heute ist die alte Frau noch eine von sechs zurückgebliebenen Sachsen im Dorf. Alle übrigen sind verstorben oder nach Deutschland ausgewandert. Auch ihre Kinder sind nach Deutschland ausgewandert und haben dort ihre Familien. Sie erzählt uns von ihrem bescheidenen Leben mit Haus und 5 Aaren Land, welche sie als Selbstversorgerin bewirtschaftet. Ihre Schilderungen und Erzählungen über die Ereignisse der letzten Jahrzehnte in Rumänien haben uns sehr beeindruckt. Stolz zeigt uns die Frau die 700jährige Kirchenburg von Wurmloch, wo die Predigt noch auf deutsch gesprochen wird.

Nicht weit von Wurmloch treffen wir am Abend auf der Suche nach einem Übernachtungsplatz auf einen Schafhirten mit seiner Herde. Laut gestikulierend und mit den Händen um sich fuchtelnd deutet er uns, dass wir auf diesem Feldweg nicht mehr weiterfahren sollten. Durch seine grobe Stimme sind wir vorerst recht erschrocken und denken, dass er uns unfreundlich und forsch wegschicken will. Ich nehme allen Mut zusammen und gehe zu ihm hin, um mich zu vergewissern, ob wir seine Gesten wirklich richtig deuten. Er spricht lediglich rumänisch und ich verstehe nur einzelne Wörter. Bald erkennt der Schafhirt, dass wir harmlose Touristensind und wird rasch freundlicher.Er hat nichts dagegen einzuwenden, dass wir 200 m neben seiner Hütte übernachten und bringt uns am Morgen, bevor er mit seinen Schafen weiterzieht, sogar eine Petflasche frische Milch.

Unterwegs …
Für uns auffallend ist die enge Bauweise der rumänischen Bergdörfer. Die Strassen zwängen sich richtig zwischen den Häusern durch. Es ist kein Platz für einen Gehweg. Da gibt’s höchstens noch einen Graben für das Abwasser neben der Strasse und dann beginnen schon die Zäune und Hauseingänge. Oft kommt es zu heiklen Situationen im Strassenverkehr, wenn Lastwagen oder Autofahrer die langsamen Pferdefuhrwerke
 
erst im letzten Moment erkennen und nur knapp bremsen oder ausweichen können. In Rumänien sind die Pferdefuhrwerke und Ochsengespanne vielerorts noch an der Tagesordnung. Nicht nur in den Berggebieten, nein, auch in der flachen Region der Walachei wird mit Pferd und Scharpflug der Acker bestellt.

In den Westkarpaten wollen wir die Eishöhle Scarisoara bei Garda de Sus besichtigen. Diesen Tipp haben wir von Sime und Märcu erhalten, welche diese Höhle diesen Sommer besucht hatten. Wir erinnerten uns an ihre Beschreibung, dass sie, um zu der Eishöhle zu gelangen, mit ihren Mountainbikes einen steinigen schlecht befahrbaren Weg auf eine Alp hinauf gefahren resp. fahrradstossend zurückgelegt hätten. Da standen wir also vor dem handgeschriebenen Wegweiser 10 km bis zur Eishöhle Scarisoara. Der steile Weg bergan sah wirklich nicht gerade vertrauenserweckend aus, zumal er auf den ersten Metern vom Schneewasser aufgeweicht und schlecht befestigt war. Doch nachdem wir nun schon bis hierher gefahren sind, wollen wir den Versuch nicht unterlassen mit dem Toyota auf die Alp hinauf zu kommen. Die ersten Kilometer sind wider erwarten recht gut zu fahren. Auf einem kleinen Parkplatz sehen wir dann allerdings einige Autos parkiert und müssen annehmen, dass der Weg von hier aus definitiv zu schlecht wird zum Weiterfahren. Doch nicht für unseren Toyota! Er schafft es weiter über den steinigen verschneiten, zum Teil vereisten Weg weiter bis an unser Ziel auf 1'160 m. Die Eishöhle ist nicht ganz so gross wie diejenige, welche wir in der Slowakei besucht haben. Die Entstehung solcher Eismassen ist für uns jedoch nach wie vor faszinierend. Die Eishöhlen stammen aus der letzten Eiszeit. Wir bleiben über Nacht auf der Alp und sind mit unserem Auto natürlich einmal mehr DIE Attraktion. Normalerweise kommen die Touristen wegen dem schlechten Weg ja zu Fuss zur Eishöhle oder lassen sich mit Pferd und Wagen hinauffahren. Aufgrund eines Faltprospekts mit „bescheidenem“ Wegbeschrieb dachten wir eigentlich, dass es auf der anderen Seite der Alp einen besseren Weg ins Tal hinunter gibt. Doch in der Pension Scarisoara erfahren wir von einem Einheimischen, dass dieser Weg in noch schlechterem Zustand sei und wir denselben Weg ins Tal zurück fahren müssten.
Wir geniessen die unberührte Berglandschaft und den wolkenlosen klaren Abend. Am frühen Morgen sind wir dann doch eher überrascht, als grosse dicke Schneeflocken fallen. Wir beschliessen, möglichst bald nach dem Frühstück talwärts zu fahren bevor die Wegverhältnisse durch den Neuschnee noch prekärer werden und kommen auch gut unten an.

Auch in den Südkarpaten bleibt uns der Schnee auf den Fersen. Sobald wir vom Tal in die Höhe fahren, verschlechtert sich das Wetter erneut und wir sind mitten im Schneegestöber. Auf dem von uns gewählten Passübergang (es ist natürlich mal wieder eine Schotterpiste und nicht ein so ganz offizieller Weg) sind zum Glück Spuren eines Holzertraktors im Schnee zu erkennen und erleichtern uns den Weg. Sonst hätten wir bald umkehren müssen oder wären stecken geblieben. Aber etwas Offroad-Abenteuer muss ja sein!!!
Nun haben wir vorerst genug Schnee, verlassen die Karpaten und ziehen weiter in die Walachei. Hier ist es spürbar wärmer und wir geniessen die weiten Ebenen. Fahren Richtung Osten in das Vogelparadies: Donaudelta.

Donaudelta (Region Dobrudscha)
Das Donaudelta ist ein riesiges Sumpfgebiet. Es münden die Donau, unzählige Flussarme, Kanäle und Nebenflüsse der Donau ins Schwarze Meer. Zum Glück hat es um diese Jahreszeit kaum Mücken, so können wir diesbezüglich ungestört an einem dieser Flussarme campieren.
In den Dörfern der Dobrudscha scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Fast nur noch ältere Menschen wohnen hier und wir staunen immer wieder, wie bescheiden diese Selbstversorger leben. Die Jungen ziehen weg in die Städte, weil sie hier keine Zukunftsperspektiven haben.
An der Küste legten griechische Seefahrer und Händler im Jahr 657 vor Christus den Hafen und die Stadt Istros an. Im 1. Jh. Wurde diese von den Römern besetzt. Wir besichtigen die Ruinen dieser Handelsstadt, welche in Histria umbenannt wurde. Leider wird mit den Ausgrabungen nicht sehr sorgfältig umgegangen. Für unser Verständnis werden die alten Mauern eher laienhaft ausgegraben und restauriert. Die schönsten Ausgrabungen (Säulen und Tontöpfe) sind im Museum vor Ort ausgestellt.

Verbringen einige Tage bei mildem Klima in der Dobrudscha und fahren an der Schwarzmeerküste entlang südwärts nach Bulgarien.